Kulturkürzungen: „Kurzer Crash-Kurs in Kommunalpolitik“

Die Protestaktion Berliner Künstler zum Beginn des kulturellen Notbetriebes in Pankow wurde vom Eingang des Thälmannparks in das Theater unterm Dach verlegt – draußen war es denn doch um einiges Minusgrade zu kalt. Das Theater sollte mit Beginn der „Notstands“-Anordnung seinen Spielbetrieb einstellen, das Programm wird nun aber in Eigeninitiative der Künstler weitergeführt.
Schauspieler Alexander Schröder verlas ein Statement, in dem es hieß: „Sämtliche Verträge wurden vom Bezirksamt einseitig aufgekündigt. Pankow wird in diesen Tagen zum Synonym für Verantwortungslosigkeit und schlechten Stil. Von den verantwortlichen Politikern haben wir in den letzten Tagen

nichts anderes zu hören bekommen, als dass sie gar nichts streichen wollten, sie müssten aber, sie hätten gar keine andere Wahl. (…) Sie handeln ohne jedes politische Rückgrat. Sie handeln nach Anweisungen von oben. Wer Verantwortung über etwas übernimmt, das er nicht verantworten will, der wird zum Büttel von vermeintlichen Sachzwängen und verdient nicht, politischer Repräsentant zu sein.”
Die so gescholtenen waren gleich im Doppelpack erschienen. Als erstes trat Kulturstadtrat Torsten Kühne vor die Versam-
melten: “Es tut mir Leid, dass Sie Opfer eines Streits zwischen dem Senat und den Bezirken sind.” Doch zu den von ihm angeordneten Kürzungen im Kulturbereich gäbe es keine

für ihn vertretbaren Alternativen. Kühne: “Denn die Alter-
nativen wären ganz konkret, dass Bürger aus ihren Wohnungen fliegen würden, weil Wohngeldanträge nicht mehr bearbeitet werden können. Das sind die sogenannte Sachzwänge.” In einem darauf folgenden heftigen Disput wies Bezirksstadtrat Torsten Kühne Anwürfe, dass nur in der Kultur gespart werden würde, zurück: “Es wird überall eingespart, aber auch in der Kultur.” Die Vorgaben des Senates ließen keine anderen Möglichkeiten zu. Um bei der Auseinander.
setzung mit der Landesregierung zu einem Erfolg zu kommen, benötige man aber “Konsens im Bezirk, um gemeinsam für ein Ziel zu streiten.”

Gegen den Anwurf, mit dem Finanzstopp die Bezirksver-
ordnetenversammlung übergangenen zu haben, wurde Torsten Kühne vom ebenfalls anwesenden Jens-Holger Kirchner, der an diesem Abend in seiner Funktion als stellvertretender Bezirksbürgermeister auftrat, in Schutz genommen: “Kurzer Crashkurs in Kommunalpolitik – wir sind überhaupt noch nicht in der Phase, dass sich die BVV mit dem Haushalt befasst. Das Bezirksamt wird am Dienstag einen Beschluss fassen über den Haushaltsplanentwurf, der dann offiziell am 14. März in der BVV beraten wird. Bisher haben wir noch keinen Haushalt – deshalb auch die Vorläufige Haushaltswirtschaft mit allen Restriktionen, die Ihnen nicht gefallen und uns auch nicht. ”

“Weil Sie von ‘Crashkurs in Kommunalpolitik’ reden”, kam es prompt zurück, “nach Artikel 89 der Berliner Verfassung sind auch bei einer Vorläufigen Haushaltswirtschaft bestehende Einrichtungen zu erhalten. Und mit der beabsichtigten Schließung des Theaters haben Sie dagegen verstoßen.”

Auch wenn die beiden Stadträte mit ihrer Argumentation längst nicht bei allen durchdrangen – zumindest ein großer Teil der Anwesenden schien am Ende der Veranstaltung davon überzeugt zu sein, dass nicht der Bezirk, sondern der Senat der Adressat des Protestes sein sollte, weil der die Bezirke nicht ausreichend finanziere.
Und so bekam Bezirksstadtrat Torsten Kühne mit auf den Weg: “Wenn Sie uns hinter sich haben wollen, als Bürger dieses Bezirkes, als Kulturschaffende, als Menschen die hier leben und irgendwie auch noch atmen wollen, dann müssen Sie die Wut und den Unmut über diese Große Koalition, die jetzt was von ‘reich, aber sexy’ faselt zu den Verhandlungen mit dem Senat mitnehmen. Das muss dann auch auf Ihrer Fahne stehen.”

 

 

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